Der Name der Letizia Battaglia lautete Kampf. In einem ausdauernden fast zwei Jahrzehnte langen Kampf hat die sizilianische Fotografin, die sich sich selbst gerne als militant adressierte, die Verbrechen der Cosa Nostra dokumentiert. Ihre zentralen Themen waren Tod und Trauer, Wut und Gewalt ausgelöst durch das Grauen der Cosa Nostra in ihrer Heimat Sizilien. Nun ist die Fotografin gestorben. Sie wurde 87 Jahre alt.
2021 hat 3Sat in einer sehenswerten Dokumentation eine Fotografin gewürdigt, die nach Blutbändern und anderen Verbrechen der Cosa Nostra mit ihrer Kamera zur Stelle war. Leider ist die Doku aktuell in der Mediathek des Senders nicht mehr eingestellt. Ihr Tod wäre sicherlich Anlass genug, die beeindruckende Dokumentation "Shooting the Mafia", in der sie selbst mitspielt, wieder zugänglich zu machen.
Letizia Battaglia fotografierte 1980 den Mord an Piersanti Mattarella, Bruder des italienischen Präsidenten Sergio, der sich im Kampf gegen die Mafia Verdienste erworben hatte. Ebenso wie den Mord an einem kleinen Jungen, der sterben musste, damit er keine Namen verraten konnte. Leichen in Blutlachen auf dem Gehweg oder neben einer Landstraße. Zeugnisse der Gewalt, die die sizilianische Mafia ausübte. Ihre Aufnahmen zeigten trauernde Witwen ebenso wie von Kugeln durchlöcherte Körper. Sie fotografiert einen Jungen, der die „Killer“ nachspielt, in dem er sich einen Nylonstrumpf über das Gesicht zieht und mit einer Spielzeugpistole droht. Sie inszeniert nie, findet das Theater, das von Mord und Todschlag handelt, auf der Strasse vor. Ein solche Szene beschrieb sie einmal gegenüber dem Spiegel mit folgenden Worten: „Das Ganze glich einem Theaterstück, es herrschte absolute Stille. Was ich sah, hat mich tief im Innern verwundet“. Sie hörte den Polizeifunk ab und raste dann zum Tatort. Sie recherchierte den Namen des Opfers im nächsten Polizeipräsidium und entwickelte die Fotos sofort danach in der Dunkelkammer.
Die 1935 in Palermo geborene Fotografin fotografierte auch Alltagsszenen aus ihrer Heimatstadt, spielende Kinder, Familien in Armut, Straßenszenen. Berühmtheit erlangte sie mit ihren Bildern der Mafiaopfer. Regelmäßig erhielt sie Morddrohungen. "Mein Leben war ein Kampf, ohne dass ich mir dessen bewusst war.“ Diesen Kampf zeichnet die Dokumentation nach. Sie war entschlossen, engagiert und leidenschaftlich in ihrer Auseinandersetzung mit der Mafia. Sie stellte Aufnahmen in dem von der Cosa Nostra kontrollierten Dorf Corleone aus. Die Menschen verschwinden in ihren Häusern. In einem Fernsehinterview sagt sie über diesen Moment: “Wir hatten Angst.“
Sie bestritt auch einen sehr privaten Kampf, der sie zu ihrem beruflichen Engagement gegen die Mafia führte. Die Dokumentation der britischen Filmemacherin Kim Longinotto beleuchtet eine Fotografin, die erst im Alter von 40 Jahren zu ihrer eigentlichen Berufung fand. Sie heiratet als Teenager mit 16 Jahren, um der Kontrolle ihres Vaters zu entfliehen, der sie nach der Klosterschule im Haus einsperrte, weil Mädchen damals in Palermo nicht draußen spielen durften. Sie verlies ihren Ehemann mit ihren Töchtern und arbeitet dann für die Tageszeitung "L’Ora".
Sie fotografierte schwarzweiss, um die Würde der Opfer zu wahren, wie sie selbst einmal sagte. Ihre Bilder überzeugen noch heute durch eine eigentümliche Ruhe und Entschlossenheit. Ihre Aufnahmen waren wichtiges Beweismaterial 1986 in einem der größten Mafiaprozesse aller Zeiten, in dem mehr als 400 Mafiosi angeklagt wurden. Ihr Archiv mit rund 600.000 Aufnahmen wurde von Polizeiermittler gesichtet, um den Tätern auf die Spur zu kommen.
Der Bürgermeister von Palermo Leoluca Orlando sagte, seine Stadt habe eine "außergewöhnliche Frau" verloren. Battaglia sei anerkannt gewesen in der Welt der Kunst, "eine Galionsfigur bei der Befreiung der Stadt Palermo von den Fängen der Mafia".
Christoph Linzbach