Fotografie News - Landesverband Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern

  • Bild: Boris Eldagsen 02.05.2023 Wettbewerbs- und Ausstellungshinweise

    Sind die Fotowettbewerbe auf KI eingestellt? Sind sie noch zu retten?




    Die kontroversen Debatten über KI-gestützte Programme zur Bilderzeugung haben gezeigt, dass Fotowettbewerbe weltweit nicht auf diese Herausforderung eingestellt sind. Eine Revolution der Bildgebung findet statt, nimmt immer mehr Fahrt auf und die Veranstalter dieser Wettbewerbe verkriechen sich in ihren Schneckenhäusern. Wie lange noch? Waren KI-Bilder in der Vergangenheit noch leicht zu  identifizieren, so hat sich das grundlegend geändert. Fotografien und KI-generierte Bilder sind nicht mehr zu unterscheiden. Sie differieren nur noch hinsichtlich des Prozesses ihrer Herstellung. Die Haltung der Veranstalter ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar. Die KI fegt wie ein Tornado über Staat, Wirtschaft und Gesellschaft hinweg und einige der zentralen Akteure zeigen sich merkwürdig unberührt.

    Der Sony World Photography Award steht aktuell beispielhaft für die Ignoranz der Szene der Wettbewerbsveranstalter. Der Fotograf und Medienkünstler Boris Eldagsen reichte im Herbst 2022 ein KI-generiertes Bild in drei Wettbewerben ein. Er wollte testen, ob die Wettbewerbe zum einen vorbereitet sind auf solche Produkte und zum anderen wie sie damit umgehen. Er gewann den Sony World Photography Award im Bereich „Creative - 2023 Open competition“ mit dem Bild „The Electrician“. Unmittelbar nachdem ihn die Information erreichte, wies er den Veranstalter auf die Genese des Bildes hin. Er bot dem Veranstalter seine Disqualifizierung an.  Alternativ eröffnete er der Sony-Truppe die Option, an der Vergabe der Auszeichnung festzuhalten und darüber eine breite öffentliche Diskussion zu eröffnen. Es gab vereinzelte Stimmen, die sich über Boris Eldagsen entrüsteten. Regelverstoß wurde geunkt. Zumeist in Unkenntnis seiner Haltung und Absichten. Global fand der Künstler enorme Zustimmung. Er wurde zu Recht bejubelt als ein Wegbereiter für eine Debatte, die in ihrer Bedeutung weit über die Fotoszene hinaus kaum überschätzt werden kann. Dafür schulden wir ihm Dank!

    Die Haltung des Boris Eldagsen ist die eines Hackers, die wir bereits aus dem Bereich der Datensicherheit kennen. Diese Hacker wollen Systeme nicht ausnutzen, sondern ihre Absicht besteht darin, Sicherheitslücken aufzuzeigen und zu beseitigen. Der Sony World Photography Award wollte an der Preisvergabe festhalten und verweigerte gleichzeitig die Diskussion. Boris Eldagsen gab darauf hin den Preis zurück. Bis heute ist hierzu kein Wort auf der Seite des Veranstalters zu finden. Man ist wohl peinlich berührt, vielleicht beleidigt und bleibt dabei, das Thema totschweigen zu wollen. Offensichtlich haben die Sony-Leute keinen Plan, wie sie mit dem Thema umgehen sollen. Dieser wie die meisten anderen Wettbewerbe blenden das Thema in ihren Regularien nach wie vor aus. Der Verdienst von Boris Eldagsen besteht darin, dass kein Wettbewerbsveranstalter mit solcherart ignoranter Haltung in Zukunft durchkommen wird.

    Wie wichtig die aufgeworfenen Fragen sind, zeigt die Hektik mit der Politiker und Parlamente zur Zeit reagieren. In kürzester Zeit hat der Deutsche Fotorat, der allen Bereichen der Fotografie in Deutschland eine gemeinsame Stimme gibt, eine Stellungnahme unter Leitung von Jürgen Scriba, Deutsche Fotografische Akademie erarbeitet. Boris Eldagsen hat sein umfassendes Wissen über die KI-basierten Programme, ihre Chancen und Gefahren eingebracht.

    Welche Optionen haben die Veranstalter von Wettbewerben, wenn sie  bereit sind, aus ihrem Schneckenhaus zu kriechen? Es kann durchaus an Bestimmungen angeknüpft werden, die aktuell in bestehenden Regelwerken bereits vorhanden sind. Es geht um Bildrechte im weitesten Sinne, urheberrechtlich geschütztes Bildmaterial  und die Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Hier können die Regelsetzer anknüpfen, aber das genügt nicht. Die Herausforderung ist zu groß und Neuland ist zu betreten.

    KI-generierte Bilder vollständig von Wettbewerben auszuschließen, scheint mir keine Lösung zu sein. Für den Fall, dass alle rechtlichen Fragen eines KI-Bildes geklärt sind, gibt es keinen Grund mehr, solche Bilder als illegal einzustufen. Allerdings auch nicht als illegitim. Es gibt nichts inhärent illegitimes, unmoralisches oder gegen die generellen Regeln des Anstandes verstoßendes, das als Begründung angeführt werden könnte. Auch das Argument, menschliche Kreativität würde ersetzt und damit obsolet, führt nicht weiter, wie das Wettbewerbsbild von Boris Eldagsen überzeugend zeigt. KI ist in den Händen eines Künstlers nichts anderes als ein weiteres Instrument seiner eigenen Kreativität neue Ausdrucksmöglichkeiten zu geben.

    Denkbar ist, eine eigene Wettbewerbskategorie für KI-Bilder einzuführen. Denkbar ist auch zu verlangen, dass die Wettbewerbsteilnehmer:innen ihre RAW-Dateien zur Verfügung stellen. Damit werden Regeln gesetzt bzw modifiziert, die allerdings auch kontrolliert sein wollen. Ich habe Zweifel, ob das auf Dauer genügt. Aber ein Anfang wäre gemacht.

    Dr. Uwe Hantke, der Vorsitzende des Landesverbandes Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern hat das Thema aufgegriffen und strebt eine möglichst breite Erörterung mit den Mitgliedern des LV an. Bundesweit ist er damit im Bereich der Amateurfotograf:innen ein Pionier. 

    Christoph Linzbach