Page 30 - LaFo 2022 Katalog-Flipbook
P. 30
Würdigung der Preisträger der LaFo 2022
Die getroffene Auswahl - Sieger, Urkunden und Medail- gelstein mit dem Bild The Future. Ein symbolträchtige
len - wirkt homogen, auch wenn das Abgebildete auf den Dystopie, die es in sich hat. Als Unkraut verkannte Disteln
ersten Blick große Unterschiede aufweist. Da sind die ab- stehen für einen kläglichen Restposten an Natur. Im Ne-
gewrackten Schiffe, das Bild mit dem Kirchturm und die bel sich drehende Energiespargel ergänzen die Szenerie
betonierten Wände, die bei allen Unterschieden in der zu einem Sinnbild für ein an rein menschlichen Bedarfen
Zusammenschau einen einheitlichen Eindruck vermitteln. orientiertem Streben nach Überleben. Kein Mensch ist zu
Wenn einer Jury so eine Auswahl gelingt, ist das nicht sehen und dennoch ist das fortgeschrittene Zeitalter des
auch preiswürdig? Ich meine schon. Die Preisträger:innen Anthropozäns unverkennbar. Die Natur wird nicht mehr
werden Bild an Bild „gehängt“. Das Auge der Sehenden gebraucht. Zahlreiche Annahmen vervollständigen das
gleitet durch einen homogenen Stimmungsraum. Er und auszeichnete Abschneiden im Wettbewerb.
sie werden nicht getrieben von Brüchen und lärmen-
den Unterschieden. Unterschiedliche Motive werden auf
einen Stimmungsnenner gebracht. Die Auswahl der Jury Eingezwängt zwischen Brandmauern ist der Titel des
wertet die LaFo 2022 ganz eindeutig noch einmal auf. Urkundenbildes der Birgit Hantke. Eine merkwürdige Lü-
cke tut sich auf zwischen Häusern, die von glattverputz-
ten Wänden in Szene gesetzt wird. So als sei ein Stück
Christoph Linzbach Uwe Hantke legt eine sehr starke Architekturserie mit dem Haus herausgeschnitten worden. Ein Baum bildet den Lü-
Titel MdbK vor, die so reduziert ist, dass sie bei aller Un- ckenfüller, der partiell den Durchblick blockiert. Das Foto
mittelbarkeit und Eindringlichkeit der Wirkung dem Be- thematisiert das Nicht-Sichtbare, weil nicht Nicht-Vor-
trachter einiges abverlangt. Der Blick geht nach oben wie handene auf eine feine, subtile Weise. Die angrenzende
in eine moderne Kuppel. Nicht die kreisrunde gleichmä- Bebauung fehlt. Warum? War da mal was? Das ist das
Gelungene Reduktion auf Linien und Flächen. So könn- ßig ausgeleuchtete Kuppel einer Kathedrale sondern die Rätsel dieses Bildes. Eine wunderbare Raum- und Flä-
te man die bildgestaltenden Charakteristika der ausge- einer modernen verschachtelten von hellen und dunklen chenverrätselung. Zudem ein Abbild einer gesichtslosen
zeichneten Fotografien der diesjährigen Landesfotomeis- Flächen gestalteten Decken- und Wandkonstruktion. Das Architektur, die einen eigentümlich fesselt.
terschaft zusammenfassen. Gekonntes Spiel mit Licht Licht leitet subtil das Auge wie auf der Flucht durch einen
und Schatten tritt hinzu. Es geht um Linien und Flächen Tunnel. Bedrohliches, Ehrfurcht und Angst Erzeugendes
manchmal kombiniert mit einem kontrastierenden Ele- kommt aus der Wucht der über dem Betrachter thro- Rua da Memoria von Astrid Mattwei, vielleicht auf
ment, die Stimmungen erzeugen. Die uns eigentümlich nenden Architektur, aus der Dunkelheit der Flächen, die Deutsch Straße der Erinnerung, umschließt das Geden-
ken an vergangene Bewohner mit pastellenen Farben.
still und andächtig werden lassen. den nach oben Strebenden, sich zum Licht hingezogenen
Betrachter begleiten. Helle Flächen bieten Orientierung Landestypisch der heitere Fassadenanstrich im Kontrast
und schenken Pausen der Ermunterung. Sie wirken wie zum Thema Erinnerung und Vergänglichkeit. Genau das
Vergänglichkeit und Erosion der Materie, der Blick in die beleuchtete Fluchttore im Alpentunnel. Das Auge strebt macht die Spannung aus, die in diesem Bild liegt. Hier-
verspargelte Zukunft, kalter Beton, verputztes Mauer- zum verheißungsvollen Ausgang, der mal klar umrissen zu kommen die verschlossenen beschützten Fenster und
werk, funktional und ästhetisch zugleich arrangiert, Aus- und als Fluchtpunkt erkennbar ist, mal angedeutet hinter die Abbildungen von den die Ausblicke, das Zusammen-
blicke, Fluchtblicke und Durchblicke, profane, spirituelle dem nächsten Vorsprung zu vermuten ist. Stürzende Li- sein ja das Leben genießenden Menschen, die heute nicht
und filigrane Bedachungen, handwerkliche Wabengitter. nien erhöhen die Sogwirkung. Ein Spiel mit Ehrfurcht, Zu- mehr da sind. Traurigkeit und Heiterkeit liegen enger bei-
All das ist in den ausgezeichneten Werken zu finden. versicht und Unsicherheit. Drei Annahmen ergänzen das einander, als man wahrhaben möchte. Eine mit den ge-
Mensch, Spuren menschlichen Handelns und Natur sind phantastische Ergebnis des Uwe Hantke, die seine Liebe wählten Ausschnitten sehr gelungene Visualisierung ur-
durchweg kontrastierendes, manchmal Geschichten und zur Klarheit, Fläche und Linie endgültig manifestieren. Ein menschlicher Stimmungen. Dass weiß nicht gleich weiß
Visionen andeutendes Beiwerk. Nicht unwichtig. Das Salz verdienter Sieg, der auf viel mehr hoffen lässt. ist, zeigt sie uns in dem ultrareduzierten Bild Fifty shades
in Suppe, dort wo sie vorkommen. Nicht immer werden of white, das bei näherem Hinsehen unzählige Details in
sie gebraucht. Ihre Abwesenheit stört nicht. Ihr Fehlen der Abstraktion enthüllt. Formal für mich fast noch über-
trägt zur Bildwirkung bei. Beides gelingt. Eine Urkunde verdiente sich der verdiente Manfred Krie- zeugender. Ebenfalls urkundenwürdig.
30 Landesfotomeisterschaft 2022 des DVF-Landesverbands Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern