Fotografie News - Landesverband Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern

  • 27.09.2021 Wettbewerbs- und Ausstellungshinweise

    LISTEN TO THE PHOTOGRAPHS!

    Ein Fest der Fotografie mit Gruppenausstellung, Artist Talks, Führungen, Instagram-Takeovers und Video-Meetings.




    Ein Fest der zeitgenössischen Fotografie soll es werden, diese Gruppenausstellung von 29 Fotografinnen und Fotografen, die vom 24. September bis zum 17. Oktober in dem von der Hamburger Kreativ Gesellschaft geförderten Pop-Up-Raum läuft. Passend zur und eingebettet in die Photopia gelingt das Wagnis, 29 unterschiedliche fotografische Positionen in einer Ausstellung zu vereinen und sinnstiftend miteinander zu verknüpfen dank einer kuratorischen Meisterleistung von Wolfgang Zurborn, einem erfahrenen Mentor und Menschenfreund, dem sich die Fotografinnen und Fotografen in seinen Workshops in der Lichtblick School anvertraut haben.

    Das Geheimnis des Erfolgs dieser Ausstellung liegt in dem gemeinsamen Erarbeiten individueller fotografischer Positionen mit einer von allen geteilten und durchgehaltenen Zielsetzung. Es gilt das Kollektive und das Individuelle miteinander zu versöhnen. Wie weit, frage ich mich, ist eine solche Leistung entfernt von der vergleichsweise komfortablen Ausgangslage eines Kurators, der aus der Fülle des Vorhandenen ein Thema frei bespielen kann. Das ist sicher auch nicht immer leicht, aber im Hinblick auf die Qualität und den Umfang mit der künstlerischen Leistung des Wolfgang Zurborn nicht zu vergleichen.

    Es lässt sich nicht bestreiten: Ein Stück Wolfgang Zurborn findet sich in jedem der gezeigten Fotos wieder. Nicht im Sinne der platten Imitation seines fotografischen Stils. Er ist im besten Sinne des Wortes ein „Facilitator“ sprich ein „Ermöglicher“, der im Rahmen eines künstlerischen Gestaltungsprozesses Menschen in die Lage versetzt, ihre Ziele vollkommen eigenständig zu erreichen. Er ist kein Moderator mit versteckter Agenda, belehrt nicht, manipuliert nicht und hält sich mit seinem eigenen Urteil zurück. Er schafft eine Struktur und einen Raum, in dem es zur Verständigung kommt und Neues entstehen kann. Das sieht man beim Zusammenspiel der Fotografien an der Wand und im Raum.

    Für die Fotografinnen und Fotografen bedeutet das, dass er Ihnen hilft, verbrauchte Bildmuster, die uns alltäglich überfluten, zu vermeiden oder sich von ihnen zu trennen. Es geht darum, das Persönliche, das, was einen bewegt, zu sehen und künstlerisch umzusetzen. Das Motiv bzw. das Thema, an dem der Fotograf oder die Fotografin seine/ihre Sicht exemplifiziert, kann und soll variieren, ist aber nicht vollständig beliebig, denn es muss dem Künstler/der Künstlerin entsprechen, Bedeutung für ihn oder sie haben und dadurch im zweiten Schritt für den Betrachtenden zugänglich und interpretierbar sein. Es kann eine Erinnerung ebenso sein, wie ein gesellschaftlicher Zusammenhang oder eine private Beziehung. Die Fotografinnen und Fotografen wählen unterschiedliche fotografische Stile, die aus ihrer individuellen Sicht dem jeweiligen Gegenstand der fotografischen Auseinandersetzung angemessen erscheinen. So entstehen 29 verschiedene Weltsichten die zeigen, was Fotografie alles in der Lage ist zu leisten, wenn es darum geht, Ausschnitte aus der Alltagsrealität künstlerisch aufzubereiten, was wiederum nichts anderes bedeutet, als das für den Fotografen/ die Fotografin Besondere herauszuarbeiten und für andere Menschen erfahrbar zu machen. Bildunterschriften braucht in dieser Ausstellung niemand, denn über das Individuelle hinaus geht es vor allem auch um das Miteinander der Bilder. Finde ich ehrlich gesagt wohltuend!

    Es ist angesichts der Ausgeglichenheit und der Qualität der Positionen beinahe unfair, einige Künstlerinnen und Künstler aus dem Kreis der 29 herauszuheben. K.T. Blumberg stellt die Frage, wie sich Mensch und Natur zueinander verhalten und welcher Stellenwert ihnen zukommt. Sie zeigt das Künstliche in den Vergnügungslandschaften auf, das den Besuchern eine andere, schönere Umgebung vorgaukelt. Das kommentiert sie feinsinnig ohne zu verurteilen. Rosemarie Zens zeigt in der Gruppenausstellung einen Teil ihrer Serie „As the Eye Wanders”. Sie spielt auf einem ihrer Fotos gekonnt mit Einblicken und Durchblicken, mit Vorhang und Rahmen, die verschiedene Realitäten miteinander hintergründig in Korrespondenz treten lassen. Wolfgang Zurborn nimmt selbst teil an dieser Präsentation mit Fotos voller Humor und Brisanz zugleich. Er greift gerne zurück auf die Bilderwelt des Jacques Tati, der mit subtilem Humor die kleinen Exzesse und schrulligen Momente unserer Zivilisation kritisiert. Das Sehen lernen war für Tati wichtig und das ist es ebenfalls für Wolfgang Zurborn, der vor dem verkopften und verkrampften Vermitteln von Bedeutung warnt und für einen intuitiven Zugang wirbt, dessen Ergebnisse im zweiten Schritt zu ordnen sind. Ruth Stoltenberg ist vertreten mit einem relativ großformatigen Tableau aus dem Senegal, das einzelne Personen und kleine Gruppen zeigt, die zunächst unverbunden erscheinen. Dennoch wirkt die Konstellation der Personen und ihre Verortung im Bild inszeniert wie ein Tableau vivant. Das Bild strahlt eine geheimnisvolle Harmonie und Poesie aus, die vielleicht nur in diesem einen Moment vorhanden war. Es ist nicht oberflächlich sozialdokumentarisch, sondern verströmt die Magie eines sozialen Miteinanders und lässt der Individualität Raum.


    Die beteiligten Fotografinnen und Fotografen sind.

    Jackie Baier • Monika Barth • K.T. Blumberg • Eva Brunner • Marina D’Oro • Sonja Düring • Janick Entremont • Uta Genilke • Monika Hager • Dieter Hanke • Gabriele Harhoff • Christine Herold • Peter Hilden • Hengame Hosseini • Irinadabo • Anne Jenter • Tobias Keppler • Steffen Knop • Lena Matrosova • Uwe Nölke • Torsten Schumann • Dieter Seitz • Cina F. Sommerfeld • Elke Sonntag • Ruth Stoltenberg • Corinna Streitz • Barbara Thieme • Rosemarie Zens • Wolfgang Zurborn


    Christoph Linzbach

    https://www.photopia-hamburg.com/photopia-city/listen-to-the-photographs

    http://www.lichtblick-school.com/showcases/listen_photographs_en.html