Die Anzahl von Fotowettbewerben, die sich auf Einzelbilder konzentrieren, ist so groß wie unübersichtlich. Beeindruckende »Wettbewerbsfotos«, auch in Schwarzweiß, gibt es zuhauf, doch was kommt eigentlich nach dem gelungenen Einzelfoto?
Gemeinsam mit dem Magazin SCHWARZWEISS haben wir erstmals einen Wettbewerb ins Leben gerufen, der das serielle Arbeiten in Schwarzweiß in den Mittelpunkt stellt. Aufgerufen waren die Mitglieder des gesamten DVF sowie die Leserinnen und Leser von SCHWARZWEISS. Gefragt war eine zusammenhängende Serie aus vier bis sechs Einzelbildern, die sich dem weitgefassten Thema »In Stadt und Dorf« widmet.
Die Jury setzte sich zusammen aus der Berliner Fotografin Ursula Kelm, dem ebenfalls aus Berlin stammenden Fotografen Thomas Michalak sowie dem Fotografen und SCHWARZWEISS-Autoren Rolf Walther aus Mainz und SCHWARZWEISS-Chefredakteur Patrick Brakowsky. Nach einer Vorauswahl der insgesamt 65 eingereichten Serien durch die einzelnen Jury-Mitglieder traf man sich Ende April zu einer gemeinsamen Zoom-Sitzung, um die drei Gewinnerserien zu bestimmen.
Wie herausfordernd es ist, eine Serie zu erstellen, die sowohl inhaltlich wie auch technisch bzw. formell stimmig ist und darüber hinaus – bestenfalls – den Betrachter oder die Betrachterin zum Nachdenken anregt, ihm oder ihr möglicherweise eine neue Perspektive eröffnet, wurde im Verlauf der Diskussion schnell deutlich. Einigen Einreichungen mangelte es an einer durchgehenden – thematischen oder gestalterischen – Linie, teilweise handelte es sich eher um eine Zusammenstellung gelungener Einzelbilder als um eine geschlossene Serie, welche einen Sachverhalt auf einer breiteren Ebene veranschaulichen kann. Die Jurorin und die Juroren waren sich recht schnell einig über die gelungensten Einreichungen und hatten schon bald die Plätze 1 und 2 gefunden. Bei der Wahl zum dritten Platz kam es hingegen zu kontroversen Diskussionen, weshalb am Ende entschieden wurde, dass es zwei dritte Plätze geben sollte – auch, um das inhaltliche Spektrum der Einreichungen zu veranschaulichen.Die Siegerserie Lebensräume in Langa von Birgit Hantke aus Berlin beeindruckte die Jury durch ihre gelungene Umsetzung und den sensiblen Zugang, den die Fotografin zu dieser Lebenswelt in einem Township in Kapstadt und seinen Einwohnern gefunden hat. Im sozialdokumentarischen Stil fotografierte Birgit Hantke die Menschen vor ihren einfach gebauten Häusern und vermeidet dabei jede – technische wie inhaltliche – Dramatisierung. Sie hält als Fotografin Distanz zum Geschehen und begegnet ihm zugleich mit Offenheit. Trotz des ärmlichen Umfelds, in dem sie leben, bewahren die Menschen in den Fotografien ihre Würde. Auch fotografisch wusste die Serie zu überzeugen und die Juroren lobten das ausgewogene Licht, die gekonnte Schwarzweiß-Ausarbeitung, die die gezeigten Oberflächen der Backsteinhäuser wie der Haut der Menschen geradezu erlebbar machten.
Grenzbereiche von Wolfgang Loke aus Witten ist ebenfalls eher dokumentarisch angelegt, verweist aber durch den bewusst nüchtern gewählten Stil zugleich auf eine kritische wie auch humorvolle Betrachtungsweise des Gezeigten. Das nicht immer harmonische Nebeneinander im städtischen Raum kommt laut der Jury gut zur Geltung. Es geht um Abschottung, das Ziehen von Grenzen, um das Verstecken der eigenen Lebenswelt. Doch die Bilder lassen sich nicht nur als eine Kritik an einer Form sozialer Kälte lesen, sondern auch als augenzwinkernden Kommentar auf die etwas eigensinnige Ordnungsliebe deutscher Wohnrealitäten.
Der Titel Städtische Haltungsform, den Ralf Prien aus Rostock für seine Serie gewählt hat, verweist auf die beengten Lebensverhältnisse, in denen Menschen weltweit leben und arbeiten. Der Fotograf zeigt bildfüllende Fassaden ohne Einbeziehung des Himmels, doch teilweise aufgelockert durch geöffnete Fenster oder Bäume. Eine extreme Form solcher »menschlicher Wohnbatterien« stammt aus Hongkong, wo sich die Größenverhältnisse noch einmal verstärken. Die Jury lobte überdies das scheinbare »Störfoto« eines Kreuzfahrtschiffes, da dieses deutlich macht, dass die Menschen selbst in ihrem Urlaub nach einer solchen beengten Haltungsform suchen …
Die Ausschreibung dieses Wettbewerbs findet sich nachfolgend. Einsendeschluss ist übrigens der 19. März 2023.
Die Ausschreibung kann hier als PDF heruntergeladen werden: