Fotografie News - Landesverband Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern

  • 12.11.2022 Hintergrundwissen

    Kathrin Schönegg…

    … eine herausragende Akteurin im Feld der Fotografie







    Gerne schauen wir auf und freuen uns über die Tätigkeit der wichtigen Player der Fotografie in Berlin. Mit dem Begriff Player werden in der Regel Institutionen identifiziert, in Beton gekleidete Räumlichkeiten, die uns Fotografin:innen und ihre Werke zeigen. Wer hinter den Ausstellungen steht, ist in Fachkreisen selbstverständlich bekannt, erfährt aber in einer breiteren Öffentlichkeit nicht immer die gebührende Aufmerksamkeit.

    Zu den wichtigen Akteur:innen gehört die 1982 geborene Kuratorin des C/O Berlin, Dr. Kathrin Schönegg. Sie trägt Verantwortung für die Entwicklung des Ausstellungsprogramm einer Institution, die sich nicht erst seit ihrem Umzug 2014 in das Amerika Haus in der Hardenbergstraße 22, direkt am Bahnhof Zoo wachsender Beliebtheit erfreut.

    Kathrin Schönegg ist eine anerkannte und prämierte Fotohistorikerin. Die Bandbreite ihres Interessenfeldes deckt wesentliche Bereiche der Fotografie ab, deren Entwicklungslinien und historischen Bezüge von ihr beleuchtet werden sprich in ihre kuratorische Arbeit einfließen. Das spiegelt ihre Selbsteinschätzung anschaulich wieder: „My main fields of interest are: materiality and abstraction, applied and amateur photography, press photography and pictorial propaganda of National Socialism, digital imagery and circulation, media and post-internet art, and the history of exhibiting, collecting and curating.“

    Kathrin Schönegg studierte Germanistik, Kunst- und Medienwissenschaften sowie Soziologie an der Universität Konstanz. Sie war von 2010 bis 2013 Promotionsstipendiatin am DFG-Graduiertenkolleg Das Reale in der Kultur der Moderne (Universität Konstanz) und von 2013 bis 2015 Stipendiatin im Programm Museumskuratoren für Fotografie der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung. 2016/17 kuratierte sie zusammen mit Florian Ebner, Christin Müller sowie Fabian Knierim, Boaz Levin und Kerstin Meincke die Biennale für aktuelle Fotografie 2017 (Farewell Photography, Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg). Als Thomas-Friedrich-Stipendiatin für Photographieforschung (Berlinische Galerie) arbeitete sie zu Heinz von Perckhammers Pressephotographie. Ihre Promotion schloss sie 2018 mit dem Prädikat summa cum laude ab. So ist es auf der Website der DGPh zu lesen, die Kathrin Schönegg  2018 für ihre Dissertation „Fotografiegeschichte der Abstraktion“ mit dem  DGPh-Forschungspreis für Photographiegeschichte auszeichnete, der alle zwei Jahre von der Sektion Geschichte und Archive der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh) ausgeschrieben wird.

    Ein Zitat aus ihrer Dissertation, die im Buchhandel erhältlich ist, könnte ein Appetizer sein, sich diese fulminante Arbeit einmal näher anzuschauen: „Das vorliegende Buch geht von der Grundannahme aus, dass Malerei und Fotografie unterschiedlichen Theorie- und Bildgeschichten der Abstraktion folgen. Mit dieser These geht es jedoch nicht darum, die Kunstgeschichte nachträglich um ein fotografisches Korpus zu erweitern oder, wie eingangs geschehen, direkte Vergleiche zwischen beiden Medien vorzunehmen. Viel-
    mehr soll die Abstraktion aus der Theorie- und Bildgeschichte des Mediums selbst entwickelt werden.“ Es geht ihr also nicht darum, die Abstraktion in der Fotografie aus der Malerei abzuleiten, sondern aus der Entwicklung der Fotografie selbst als einem Medium, dass einer anderen, eigenständigen Logik folgt.

    Die Website der Kathrin Schönegg umfasst unter den Rubriken „Curatorial, Talks und Publications“ eine solche Fülle von Arbeiten und Leistungsnachweisen zu den „kleinen und großen“ Themen der Fotografie, die so mancher Fotohistoriker am Ende seiner Laufbahn nicht vorweisen kann. Wie sie in einem Interview erläutert, ist ihr das Arbeiten in unterschiedlichen Formaten wichtig und wird von ihr als ähnlich erfolgversprechend wie dissertationsorientierte Recherche eingeschätzt, wenn es um das Verhandeln wichtiger Themen geht: „Zwar hätte ich generell Lust ein weiteres Buch zu schreiben, denke aber, dass sich grundlegende Fragen auch in anderen Formaten wie z.B. der Herausgabe eines Buchs oder eben der Themenausstellung adressieren lassen.“ Fragen der Globalisierung und der Kollaboration mit außereuropäischen Partner:innen möchte sie in der kuratorischen Tätigkeit nicht vernachlässigen: „Für das Nachwuchsprogramm von C/O Berlin, das ich leite, arbeiten wir beispielsweise kontinuierlich daran, die Liste der Nominierenden zu diversifizieren und explizit Vorschläge aus Nicht-Westlichen Kontexten und dem Globalen Süden zu akquirieren.“ Interessant fand ich ihre Aussage, dass sie gerade in kolonialen Kontexten „Neuentdeckungen“ macht. „Neuentdeckung klingt nach ungesehenem Nachwuchs. Allerdings sind die Positionen auf diesem Karrierestand notwendig noch wenig ausgereift. In unserem Förderprogramm beobachte ich daher stärker Themen und spannende Einzelprojekte, als generisches Potenzial. Relevant fand ich hier zuletzt die Wiederbefragung von Archivmaterial aus ehemaligen kolonialen Zusammenhängen in Westafrika sowie die Auseinandersetzung mit der digitalisierten Welt, die globale Lebensentwürfe verändert – beides Themen, die die letzten beiden Gewinner*innen des “C/O Berlin Talent Awards” bearbeiteten: Adji Dieye und Anna Ehrenstein.“

    Es gäbe noch so viel mehr zu schreiben über eine wichtige Akteurin der Fotografie und Fotoszene, die weit über Berlin hinaus Wirkung entfaltet und uns regelmäßig im C/O mit wunderbaren Ausstellungen beschenkt, die wichtige Themen der Fotografie behandeln und veranschaulichen.

    Kathrin Schönegg wird auf der Wintertagung der Deutschen Fotografischen Akademie am 03.12.2022  von 14.15 bis 15.15 Uhr referieren. Die Wintertagung der DFA ermöglicht den persönlicher Austausch zwischen Bildschaffenden und der Öffentlichkeit, frei zugänglich, mit Debatten auf Augenhöhe. Für alle, die nicht anwesend sein können, gibt es den Livestream der Facebook-Seite und nach der Tagung die Aufzeichnungen. Hier, auf Youtube und Instagram.

    Christoph Linzbach

    https://www.kathrinschoenegg.de/