Fotografie News - Landesverband Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern

  • 29.05.2023 Fotografische Grundlagen , Hintergrundwissen

    Stadt Land Kunst und mehr





    Nicht die einzige Reihe oder der einzige Beitrag auf Arte, die aus fotografischer Sicht sehenswert sind.

    Stadt Land Kunst ist eine Sendereihe auf Arte, moderiert von der französischen Journalistin Linda Lorin. Sie  lädt auf eine Reise an Orte ein, die sich durch ihr künstlerisches, kulturelles oder landschaftliches Erbe auszeichnen. Aktuell läuft die Serie täglich am frühen Nachmittag. Alle Sendungen stehen auf der Arte-Hompage zur Verfügung.

    Am 30.05.2023 beschäftigt sich die Reihe mit dem südafrikanischen Fotografen Graeme Williams. Er hat in seiner 30-jährigen Karriere jedes Ereignis, jede Entwicklung seiner südafrikanischen Heimat eingefangen und wurde so zu einem der wichtigsten Chronisten der Rainbow Nation. Seine Karriere als Fotojournalist begann Ende der 1980er Jahre, als das rassistische Apartheidsregime erste Risse bekam.

    Der fotografische Chronist kommt in der Folge ausgiebig zu Wort. Er schildert eine sehr persönliche Perspektive auf die grundlegenden Veränderungen in einem Land zwischen Apartheid und Demokratie. Er hat im Laufe seiner Karriere jedes noch so kleine Ereignis mit der Kamera eingefangen. Der Wandel war für ihn kein einfacher linearer Prozess sondern vielmehr eine Überlappung verschiedener Entwicklungen. An verschiedenen Orten passierten gleichzeitig verschiedene Dinge. Bis heute ist nicht sicher, in welche Richtung sich das Land bewegt, so einer der wohl bedeutendsten Chronisten der Regenbogennation. Er fotografierte nicht, weil er als Pressefotograf tätig sein wollte, sondern weil er sein Land mitgestalten wollte. Sein Portfolio ist beeindruckend abgedruckt in einer ganzen Reihe guter Fotobücher. 19 sind auf seiner Website aufgeführt.

    Das ist ein Beispiel, das für die Vielfalt der Zugänge steht, die der Fernsehsender Arte zu dem Thema Fotografie findet und den Zuschauer:innen anbietet. Wer auf der Website von Arte das Wort Fotografie eingibt, der stößt auf viel mehr Sendezeit als man zum Ausfüllen von langweiligen Feiertagen brauchen würde. Manche Beiträge gleichen mehr einem Appetithappen für einen Einstieg in die Fotokunst und sind nur 3 Minuten lang, andere vertiefen ein Thema 45 Minuten und länger.

    Hier einige ausgewählte Titel:

    Im Prisma der Fotografie
    Ukraine ein Fotograf im Krieg
    Autochrom-Fotografie
    Wie nachhaltig ist Fotografie
    Die Erfindung des Rassismus in Farbe
    Twist - Foto, Selfie - Ich!
    Fotografie: Der ferne Osten Russlands
    Square für Künstler Alain Keler, Fotograf bei MAOP
    Fotografie: Eine poetische Annäherung an den Autismus
    Fotografie: Ort im Umbruch
    Gauri Gill: Resilienz durch Fotografie

    Arte reflektiert in der Sendung „Die Erfindung des Rassismus in Farbe“ die Rolle der Fotografie in einer Zeit, in der die europäischen Mächte in Afrika um Einfluss rangen und der Kolonialismus als ein völlig legitimes Mittel erschien, politische Interesse ohne jede Rücksichtnahme auf die einheimische Bevölkerung durchzusetzen. Kolonialismus als Begriff war bei der Mehrheit der Bevölkerung im damaligen Kaiserreich unter verschiedenen Gesichtspunkten positiv konnotiert, nicht zuletzt im Sinne eines zivilisatorischen Auftrags, der man für die weißen Europäer als „überlegene Rasse“ reklamierte.

    In Namibia entstanden zu Beginn des 20. Jahrhunderts die ersten von afrikanischen Menschen gemachten Dreifarbenfotos. Die Reise des Fotografen Robert Lohmeyer ist eine Pioniertat, die das Bild Afrikas prägte und die fotografischen Grundlagen des Rassismus legte. Sie fand mit Unterstützung des deutschen Kolonialamtes statt. Die Vertreter des Kaiserreichs wie auch die Wirtschaft waren von seinen Aufnahmen angetan, weil sie die Begeisterung für die Kolonien anstachelten. Zum Wohl des politischen und wirtschaftlichen Imperialismus.

    Lohmeier prägte das Bild der Deutschen von Afrika und den Afrikanern über viele Jahrzehnte. Er führte die modernste Fotoausrüstung seine Zeit mit sich in die deutschen Kolonien. Typische Motive waren der „friedliche Wilde“ in einer schönen Landschaft. Für die Veranschaulichung der damals gängigen Rassentheorien in Frage kommende Typenbilder, die eine massive Herabwürdigung der einheimischen Bevölkerung darstellten, waren nicht sein Ding. Krankheit, Hunger, Gewalt gegen die indigene Bevölkerung  und Tod kommen in den Bildern Lohmeyers nicht vor. Er zeichnete mit seiner Kamera eine schöne heile Welt.

    Der damals noch weit verbreitete Glaube an eine Fotografie, die für Authentizität und Wahrhaftigkeit steht, und die Unmittelbarkeit vermittelnde Farbe der Aufnahmen verfehlten ihre Wirkung nicht. Seine Bücher  erreichten enorme Auflagenhöhen. Viele seiner Fotos wurden auch als Postkarten abgedruckt. Die Bildbände wurden während der Zeit der Nationalsozialismus als willkommenes Instrument der Propaganda erneut aufgelegt.

    Die wissenschaftlich-kritische Beschäftigung mit diesen Fotos bleibt wichtig. Das Zeigen der Fotos reproduziert zwangsläufig die Demütigungen, die diesen Fotos eingeschrieben sind. Auf der anderen Seite sind diese Bilder, das Zeigen und die Analyse dieser Bilder für die Kenntnis der Wirkungsgeschichte des rassistischen Menschenbild unumgänglich. Auch das thematisiert Arte anschaulich.

    Christoph Linzbach





    https://graemewilliams.co.za/publications/

    https://www.arte.tv/de/videos/104384-000-A/die-erfindung-des-rassismus-in-farbe/